Für mehr Beweglichkeit– Das Experteninterview zum Reha-Sport

Viele Menschen wissen gar nicht, dass Sie sich auch ohne Operation oder aufgrund langer chronischer Erkrankung den Reha-Sport verschreiben lassen können. Denn dieser soll Menschen vor allem beweglicher und schmerzfreier machen. Wir haben den Gesundheitstrainer Michael Kiechle gefragt, was der Reha-Sport genau ist, und wer sich bei seinem Hausarzt/Orthopäde mal danach erkundigen sollte.

Herr Kiechle, könnten Sie uns zunächst erklären, was der Reha-Sport genau ist?

Der Reha-Sport ist ein durch die Krankenkassen gefördertes Programm speziell für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Es soll diese Menschen wieder in Bewegung bringen und körperliche Betätigung in die tägliche Routine einbinden. Der Reha Sport kann vom Arzt verschrieben werden, und die Kosten werden von Ihrer Krankenkasse oder Rentenversicherung übernommen.

Übernimmt die Krankenkasse, bekommen Sie 50 Übungseinheiten über 18 Monate genehmigt, die Sie 2 x pro Woche in Anspruch nehmen können. Übernimmt die Rentenversicherung, werden die Übungseinheiten auf 6 Monate verteilt.

Ziel ist es, die Patienten mit einem Katalog an Übungen auszustatten, mit dem sie auch nach dem Reha Sport zuhause selbstständig weiter üben können. Viele Menschen, die bei uns den Reha Sport machen, sind ganz erstaunt, was da noch alles geht: Plötzlich kommt die Schulter doch wieder bis ganz nach oben, oder die schmerzende Schonhaltung ist endlich passé. Man spürt die eigenen Muskeln und auch wieder seine eigene Kraft. Und man kommt raus aus der Passivität und setzt sich endlich wieder hinters Steuer: in Richtung gutes Körpergefühl.

Und wie wird entschieden, wer am Reha-Sport teilnehmen kann?

Ob Sie den Reha Sport verordnet bekommen, entscheidet ihr Arzt. Doch wenn Sie bereits Beschwerden haben, werden Sie hier i.d.R. auch das Rezept bekommen. Zu uns kommen Patienten, die chronische Schmerzen haben, bewegungseingeschränkt sind – sei es altersbeschränkt oder aufgrund einer Behinderung –, nach Operationen wie künstlichen Gelenkeinsätzen, nach Bandscheibenvorfällen, oder weil ihr Arzt eine Sturz -Prophylaxe für sinnvoll hält. Aber es gibt auch viele andere Diagnosen, die den Reha Sport zu einer sinnvollen ärztlichen Verschreibung machen. Es ist eigentlich immer der richtige Zeitpunkt, die Möglichkeit des Reha Sports zu nutzen.

Ein kleiner Tipp: Mir ist aufgefallen, dass es oft hilft, aktiv auf die Ärzte zuzugehen und nach dieser Verordnung zu fragen.

Und was macht man dann genau im Reha-Sport?

Im Reha-Sport handelt es sich immer um ein Gruppentraining mit bis zu 12 Teilnehmern. Gemeinsam machen wir viele verschiedene Übungen, die auf Beweglichkeit, Kraft und Koordination zielen:

  • Mit dem Theraband führen wir Widerstandsübungen durch, die Ihre Muskelkraft verbessern.
  • Der Pezziball ist ein großer Gymnastikball, den wir hauptsächlich für Stabilitätsübungen, insbesondere die Rumpfmuskulatur, anwenden.
  • Auf einer Übungsmatte machen wir mit fitteren Patienten auch mal Bodenübungen wie Dehnungen, Pilates- oder Yogastilübungen.
  • Den Flexibar, ein flexibler Stab, der durch Schwingen unsere Tiefenmuskulatur aktiviert, setzen wir vor allem zur Stärkung und Stabilisierung ein.
  • Und Balance Kissen, Tennisbälle und Bierdeckel sind ideal für Gleichgewichts- und Koordinationsübungen, die helfen, unsere Reflexe und unsere Reaktionsfähigkeit zu verbessern.

Darüber hinaus statten wir unsere Patienten mit einer Reihe von freien Übungen aus, wie Kniebeugen und Rotationsbewegungen. Alle Übungen sind dabei so gestaltet, dass sie leicht zu Hause mit minimaler Ausrüstung durchgeführt werden können.

Wie Fit sollte man für den Reha-Sport sein?

Der Reha-Sport ist dazu da, Ihren Körper aufzubauen – Sie brauchen sich also keine Sorgen machen, „nicht fit genug“ zu sein: das Programm ist so gestaltet, dass es sich für Menschen jeden Alters und Fitnessgrades eignet. Egal ob Sie recht fit in Sportklamotte, mit Schmerzen, auf Krücken oder im Rollstuhl zu uns kommen, von anspruchsvolleren Übungen bis hin zur Hockergymnastik kann jeder und jede vom Reha Sport profitieren.

Wie schätzen Sie ein, welche Übungen im Reha-Sport die richtigen für meine körperliche Verfassung sind?

Wir führen vor dem Beginn des Reha Sports mit Ihnen ein Gespräch. Hier wollen wir genau verstehen, wie es in Ihrem Körper aussieht, warum Sie den Reha Sport machen wollen, und wie beweglich Sie sind (etwa ob Sie auf Gehhilfen oder den Rollator angewiesen sind). Und wir verschaffen uns anhand Ihres Gangbildes einen ersten Eindruck, wie Sie sich durch Ihren Alltag bewegen.

Bekomme ich nach dem Reha-Sport einen Trainingsplan mit nach Hause?

Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, Ihnen keinen Trainingsplan auf dem Papier mit nach Hause zu geben. Denn wenn wir ehrlich sind, landet dieser nicht selten in irgendeiner Ecke. Wie legen unseren Fokus lieber darauf, Ihnen im Laufe der 50 Übungseinheiten Ihre Lieblingsübungen als Gewohnheiten einzuprägen. Das fördert nicht nur Ihre physische, sondern auch Ihre kognitive Beteiligung an Ihrem Heilungsprozess. Im Idealfall können Sie dann „gar nicht mehr ohne“. Gerade hatte ich eine Patientin, die mich gebeten hatte, sie bei einer Übung zu fotografieren, damit Sie sich zuhause besser daran erinnere. Jeder hat da so seine Strategien, und wir halten es für sinnvoll, hier individuell auf unsere Patienten einzugehen.

Vielen Dank für diese aufschlussreiche Beratung zum Reha-Sport, Herr Kiechle! Ich werde das nächste mal gleich bei meinem Arzt nachfragen.

Tun Sie das gern! Und wenn Sie weitere Fragen haben, was Sie von Ihrer Kasse an Trainings für Ihre Gesundheit übernommen bekommen, können Sie sich auch gerne in unserer Gesundheitsberatung kostenlos zu Ihren Fragen beraten lassen.